Die Europäische Zentralbank als politisches Instrument und Taktgeber für die europäischen Märkte

EZBAuch wer die Nachrichten aus der Finanzwelt nur am Rande verfolgt, wird immer wieder mit der Institution der EZB konfrontiert. Insbesondere im Zusammenhang mit Begriffen wie Inflation, Deflation oder Preisstabilität werden Entscheidungen oder auch nur Äußerungen der EZB vermeldet und kommentiert. Und gleichgültig, wie stark man sich für derartige Meldungen interessiert – fest steht, dass der Einfluss der Entscheidungen der EZB auf unser tägliches Leben wohl größer ist, als wir vielleicht annehmen. Das gilt neben der Entwicklung der Höhe der Zinsen, die sowohl für Sparer als auch für Kreditnehmer entscheidend sind, insbesondere aber auch für Anleger an den Aktienmärkten. Manche Entscheidungen wirken sich dabei unmittelbar und direkt aus, manche dagegen nur sehr langfristig. In jedem Fall gehört ein zumindest grobes Verständnis über das Zusammenspiel von Zentralbanken und Aktienmarkt zur Grundbildung eines strategisch ausgerichteten Anlegers. Daher soll hier die Funktion, die Bedeutung sowie der konkrete Einfluss der EZB auf die europäischen Märkte und darüber hinaus erklärt werden. Zunächst soll kurz auf die Rolle der EZB im System der nationalen Notenbanken eingegangen werden. In der Folge setzt sich dieser Beitrag mit den Zielen und Aufgaben der EZB auseinander um abschließend über konkrete Auswirkungen auf den Markt einzugehen. Besondere Aufmerksamkeit soll darüber hinaus auf die Konsequenzen gelegt werden, die für den normalen Anleger aus Entscheidungen der EZB resultieren. Dabei soll abschließend auch die aktuelle Situation inklusive der derzeit laufenden und stark diskutierten Intervention der EZB an den Anleihemärkten berücksichtigt und eingeschätzt werden.

Die EZB im System der nationalen Notenbanken

Es ist allgegenwärtig und jeder hat in irgendeiner Forma damit zu tun. Egal ob man beim Bäcker um die Ecke einkauft, die Ersparnisse auf das Sparbuch legt oder einen Kredit bei der Bank aufnimmt – immer geht es dabei um Geld, als zentrales Instrument. Denn um etwas anderes als ein Instrument handelt es sich bei Geld letztlich nicht. Man könnte auch von einem Medium oder einem Mittel sprechen. Dagegen ist Geld keine Ware und besitzt heutzutage auch keinen eigenen Wert, etwa in Form des Materialwertes. Trotzdem ist es gemeinhin als Zahlungsmittel akzeptiert und steht im Normalfall immer zur Verfügung. Die Sorge dafür, dass der Wirtschaftskreislauf, zu welchem jeder Bürger letztlich gehört, ausreichend mit Geld, auch Liquidität genannt, versorgt wird, tragen in allen modernen Staaten die sogenannten Zentralbanken. Seit es in Europa den Euro gibt, wurde im Zentrum der nationalen Zentralbanken der Mitgliedsstaaten mit der übergeordneten Europäischen Zentralbank (EZB) eine gemeinsame Institution geschaffen, die für die gemeinsame Geldpolitik der Europäischen Union verantwortlich ist. Die Aufgabe einer Geldpolitik umfasst dabei ein ganzes Bündel von Zielen und Aufgaben, für welche die EZB gemeinsam mit den anderen nationalen Zentralbanken verantwortlich ist. Rechtlich und institutionell ist die EZB dabei weitgehend unabhängig, sowohl von den anderen Zentralbanken als auch von der Politik. Das heißt, sie kann dem Grunde nach eigenständige Entscheidungen treffen wie jede andere Bank auch. Faktisch agiert jedoch keine Bank im luftleeren Raum und auch die EZB steht natürlich unter dem ständigen Einfluss der europäischen Politik. Dazu kommen Entscheidungsgremien, an denen auch die nationalen Notenbanken beteiligt sind. Darin werden gemeinsam Entscheidungen getroffen. Letztendlich muss man sich das System der Zentralbanken als Netzwerk mit unterschiedlich starken Teilnehmern vorstellen, in deren Mitte die EZB sitzt. Der Einfluss der einzelnen Teilnehmer hängt dabei von der jeweiligen Beteiligung der nationalen Banken an der EZB statt. Dabei haben große Länder wie Deutschland logischerweise einen größeren Einfluss als kleinere Staaten wie etwa Österreich oder Finnland. Letztendlich kann man das Zusammenspiel der Banken als System begreifen, in dem die finanzpolitischen Interessen der einzelnen Mitgliedstaaten entsprechend deren Gewicht verhandelt und regelmäßig austariert werden.

Ziele, Aufgaben und Instrumente

Die EZB ist laut der europäischen Verfassung, die von den europäischen Mitgliedsländern beschlossen wurde, zur Einhaltung eines ganzen Bündels von Zielen verpflichtet. Bei der Umsetzung und Verfolgung dieser Ziele kann sie dagegen weitgehend frei agieren, allerdings stehen für bestimmte Ziele auch nur bestimmte Instrumente und Maßnahmen zur Verfügung. Wie sich aber später noch zeigen wird, sind fast alle Entscheidungen und Maßnahmen umstritten. Doch zunächst soll auf die Zielen und Aufgaben der EZB eingegangen werden.

Letztendlich lässt sich die Zielstellung der EZB, wie auch die der übrigen nationalen Notenbanken auf zwei Ziele reduzieren, aus denen dann jedoch weitere Teilziele resultieren. Das erste Ziel ist die Bewahrung der Preisniveaustabilität, also das Ziel, dafür Sorge zu tragen, dass die Preise im entsprechenden Wirtschaftsgebiet, also im Euroraum stabil bleiben. Der Fachbegriff für die Preisstabilität lautet Inflation. Mit der Inflationsrate, welche ebenfalls durch die EZB ermittelt und veröffentlicht wird, wird angezeigt, wie stark sich die Preise im Durchschnitt in einem bestimmten Zeitraum entwickelt haben. Üblich ist dabei der Vergleich der Preisniveaus im Abstand von einem Jahr. Eine Inflationsrate von 2 Prozent besagt dabei, dass sich alle Preise im Durchschnitt um zwei Prozent erhöht haben. Dabei überlagern sich die Preisentwicklungen einzelner Güter zum Teil beträchtlich. So hat in den letzten Jahren der sinkende Ölpreis für deutlich niedrige Inflationsraten gesorgt, auch wenn das übrige Preisniveau weiter gestiegen ist. Die EZB verfolgt bei ihrem Ziel der Preisniveaustabilität einen Korridor von Werten um zwei Prozent. In jedem Fall verhindern will die EZB dagegen Inflationsniveaus, die stark darunter oder darüber liegen. Bei Inflationsraten unter null sprechen Ökonomen im Übrigen von Deflation. In einer solchen Situation hätte nach Auffassung vieler Wirtschaftswissenschaftler eine für den Kunden eigentlich paradiesische Situation langfristig fallender Preise fatale Auswirkungen auf die Wirtschaftsentwicklung. Nach Ansicht der Wissenschaftler würden Konsumenten und Unternehmen ihre Investitionen in Erwartung noch günstigerer Preise immer weiter aufschieben, was in der Summe zu einem Erstarren oder zumindest zu einer starken Abkühlung der Wirtschaft führen könnte. Droht eine solche Situation, versucht die EZB, diese zu verhindern und zwar mit Mitteln auf die später noch eingegangen wird.

Ziele und AufgabenDas zweite wichtige Ziel für die EZB besteht darin, langfristig eine kontinuierliche Wirtschaftsentwicklung sicherzustellen, das heißt zunächst, sie versucht bei negativer Wirtschaftsentwicklung gegenzusteuern, oder wie die Fachleute sagen, zu intervenieren. Doch auch im gegenteiligen Fall kann sie unter Umständen tätig werden: Wenn nämlich ein Aufschwung „heiß zu laufen“ droht. Dies kann etwa der Fall sein, wenn Unternehmen und private Verbraucher in übertriebener oder falscher Erwartung eines starken Aufschwunges in großem Umfang Kredite aufnehmen um private Vorhaben und Ausgaben oder Investitionen in neue Maschinen zu finanzieren.

Im Idealfall wird durch das ausgleichende Wirken der EZB die wirtschaftliche Konjunktur im Euroraum auf einem stabilen Wachstumskurs gehalten. Doch nicht nur die Krisen der letzten zehn Jahre zeigen deutlich, dass dieses Ziel äußerst schwierig, wenn nicht unmöglich zu erreichen ist. Diese Schwierigkeiten haben wiederum verschiedene Gründe, über die sich Bücher füllen lassen würden. Hervorzuheben ist dabei vor allem, dass ein wichtiges Problem in den unterschiedlichen Entwicklungen in den jeweiligen Euro Regionen oder Staaten liegt, die einheitlich wirksame Maßnahmen mehr oder weniger unmöglich machen. Zudem herrscht eher selten eine einheitliche Meinung über die Bewertung des aktuellen Zustands der Volkswirtschaften in Europa vor. Auch wenn die jeweiligen nationalen Zentralbanken theoretisch spezifische Maßnahmen in Bezug auf die einzelnen Volkswirtschaften umzusetzen. Allerdings hat die EZB mit der Geldpolitik des Euro das mit Abstand wichtigste Instrument in ihrer Hand.

Mit der Geldpolitik ist das wichtigste Instrument zur Verfolgung der genannten Ziele, der Erhaltung der Preisniveaustabilität und Herstellung einer ausgeglichenen Entwicklung, benannt. Das Hauptinstrument der Geldpolitik ist dabei die Steuerung des Leitzinsniveaus. Über die Auswirkungen der Leitzinsen soll im nächsten Kapitel informiert werden.

Neben der Geldpolitik ist die EZB aber noch für eine Reihe weitere Aufgaben verantwortlich. Hierzu gehört unter andern auch die Abwicklung von Devisengeschäften unter anderem zum Zwecke der Sicherstellung des Außenwertes des Euros und zum Aufbau von Devisenreserven. In diesem Zusammenhang verwaltet die EZB auch die Währungs- und Devisenreserven der jeweiligen Zentralbanken. Eine weitere wichtige Aufgabe ist die Versorgung der Volkswirtschaft mit (Bar-) Geld. Hinzu kommen noch Aufsichtsunktionen über das europäische Bankensystem und die Finanzmärkte sowie Erfassung und Bereitstellung statistischer Daten.

Für Anleger können neben der eigentlichen Geldpolitik auch die Eingriffe in den Finanzmarkt sowie in den Devisenmarkt von großer Bedeutung sein. Auch dies soll im folgenden Abschnitt dargestellt werden.

Auswirkungen der EZB Instrumente auf die Wirtschaft und die Märkte

Also wichtigstes Instrument sollen zunächst die Auswirkungen der Geldpolitik betrachtet werden. Die Auswirkungen der Geldpolitik in Form einer Veränderung des Leitzinses auf die Wirtschaftsunternehmen und die Finanzmärkte setzen auf unterschiedlichen Ebenen an. Hierzu muss man sich zunächst klar machen, welche Bedeutung der Zins im Allgemeinen und der Leitzins im Besonderen haben. Generell wird der Zins gern als Preis des Geldes bezeichnet. Demnach drückt der Zins aus, wie teuer es ist, sich Geld für eine bestimmte Zeit zu beschaffen. Mit dem Leitzins gibt die EZB die Höhe des Zinssatzes vor, zu dem sich die nationalen Notenbanken sowie die Geschäftsbanken Geld leihen können. Dabei wird der Leitzins in drei einzelne Sätze gestaffelt. Zunächst gibt es den Einlagezins, also den Zins, den Banken für Einlagen bei der EZB erhalten. Daneben gibt es eigene Zinssätze für Hauptfinanzierungsgeschäfte und einen Zinssatz für Spitzenfinanzierungsfazilitäten. Die letzten beiden Zinssätze gelten, wenn sich Geschäftsbanken bei der EZB Geld leihen. In der Regel ist der Einlagezins am geringsten und der Spitzenfinanzierungsatz am höchsten. Geschäftsbanken sind dabei Banken, bei denen Unternehmen aber auch Privatpersonen Geld einlegen und in Form von Krediten erhalten. Anders herum bestimmt das Zinsniveau auch den Zins, die Geschäftsbanken für die Einlagen bei der EZB erhalten. Dabei wird klar, dass Geschäftsbanken selber gar nicht unbeschränkt über eigenes Geld verfügen. Im Grunde macht eine Geschäftsbank nichts anderes, als Geld von Sparern einzusammeln und dieses an Investoren mit Kapitalbedarf weiterzugeben. Aus der Differenz zwischen Spar und Kreditzins entsteht der Gewinn oder auch Verlust einer Bank. Neben den Einlagen der Sparer leihen sich die Geschäftsbanken aber in der Regel einen Großteil des Kapitals bei der EZB und dabei gilt der Leitzzins. Auch wenn sich die Zinsen selber im Prinzip im freien Spiel des Marktes bilden und damit grundsätzlich unabhängig vom Leitzinsniveau sind, hat der Leitzins freilich eine große Bedeutung auf das allgemeine Zinsniveau. Dass dieser Einfluss jedoch auch seine Grenzen hat, zeigen allein die unterschiedlichen Zinsniveaus innerhalb von Europa. Trotzdem kann nach Zinsentscheidungen der EZB mit hoher Wahrscheinlichkeit eine entsprechende Tendenz beim allgemeinen Zinsniveau beobachtet werden.

Nehmen wir also an, die EZB erkennt eine Inflationsgefahr, verbunden mit der Gefahr einer heiß laufenden Wirtschaft sowie einer starken Verschuldung von Privathaushalten und Unternehmen. Hierfür mach die Führung der EZB vor allem das herrschende niedrige Zinsniveau verantwortlich und entschließt sich zu einer deutlichen Erhöhung des Leitzinses von einem auf nunmehr drei Prozent. Bereits die Erwartung eines solchen Schrittes wird am Markt für erhebliche Unruhe und Bewegung sorgen. Insbesondere die Kreditzinsen für langfristige Darlehen ziehen an, da die Banken steigende Refinanzierungskosten erwarten und diese vorsorglich an die Kreditkunden weitergeben. In jedem Fall verteuern sich Kredite auf breiter Front, was sowohl bei Unternehmen als auch bei Privathaushalten zu einem deutlichen Rückgang der Kreditaufnahme führt. Privatleute entscheiden sich nun nicht mehr für den Bau eines Häuschens im Grünen und für das Unternehme erscheint es angesichts der höheren Zinsen plötzlich nicht mehr so lukrativ, in ein neues Werk oder eine neue Maschine zu investieren. Da auch Sparzinsen steigen, bringen die Leute ihr Geld wieder vermehrt zur Bank, als es in den Konsum zu stecken oder am Aktienmarkt zu investieren. Dadurch verlangsamt sich einerseits das Wachstum der gesamten Wirtschaft und die Aktienkurse sinken. Doch wozu, wenn doch alles so gut lief? Hauptsächlich soll verhindert werden, dass sich Unternehmen und Privatpersonen aufgrund der günstigen Zinsen und noch günstiger Erwartungen immer stärker verschulden, was früher oder später ebenfalls zu massiven Einbrüchen der Wirtschaft führen kann. Durch eine Erhöhung des Zinsniveaus werden die Akteure nun dazu gezwungen, ihre Schuldenquoten zurückzufahren. Die Gefahr einer sogenannten Schuldenkrise sinkt im Idealfall. Von eine Schuldenkrise spricht man, wenn immer mehr Kredite nicht mehr zurückbezahlt werden können, weil sich die dahinter stehenden Investition doch nicht als so lukrativ erwiesen haben wie erwartet. Nach Privatinsolvenzen und Zwangsversteigerungen sowie Unternehmenspleiten würden hiervon bald auch die Banken betroffen sein und selber in Schwierigkeiten kommen. Diese Gefahren sollten mit dem Zinsschritt verhindert werden und im Idealfall funktioniert dies auch.

Darüber hinaus hat eine solche Maßnahme auch mitunter massive Auswirkungen auf die Finanzmärkte. Steigende Zinsen stehen dabei nach dem Lehrbuch grundsätzlich mit fallenden Kursen an der Börse im Zusammenhang. Dies hat vor allem zwei Gründe. Zum einen wird durch das gestiegene Zinsniveau Spareinlage bei der Bank wieder deutlich attraktiver so dass sich viele Anleger von der Börse zurückziehen indem sie ihre Aktien verkaufen. Zum anderen haben die oben beschriebenen Auswirkungen rückläufige Gewinne bei den Unternehmen zur Folge, was ebenfalls zu sinkenden Kursen führt. Neben einem gebremsten Wirtschaftswachstum würde also auch eine Baisse an der Börse folgen, das heißt, die Kurse der Unternehmen würden sich für einige Zeit seitwärts entwickeln oder auch längerfristig sinken. Auch wenn diese Situation für Anleger und Unternehmen vielleicht nicht erfreulich sein mögen, tragen solche Phasen auch wieder zur Normalisierung der Wirtschaft bei.

Von nun besteht die Aufgabe der EZB dabei darin, zu vermeiden, dass eine Wirtschaft in die Rezession abgleitet. Eine Rezession bedeutet dabei nichts anders als die länger anhaltende Abwesenheit von Wachstum. Schrumpft die Wirtschaft in einem Staat dabei mehr als zwei Quartale in Folge, spricht der Ökonom bereits von einer Rezession. Die Beobachter der EZB haben dabei vor allem die Wachstumsraten aber auch die Inflation im Auge. Ist eine Rezession zu befürchten, würde der Leitzins schrittweise wieder gesenkt. Die Kreditaufnahme würde erleichtert, Unternehmen investieren wieder häufiger und auch der Häuslebauer bekommt nun endlich einen günstigen Kredit für sein neues Eigenheim. Die Wirtschaft gewinnt wieder an Schwung und der Börsianer kann sich bald wieder über neue Kursrekorde und hohe Dividenden freuen.

Die aktuelle Politik der EZB und die Auswirkungen auf die Märkte

Der hier beschriebene Mechanismus klingt im Prinzip sehr einfach und verständlich, doch leider ist die Realität zumeist wesentlich komplexer und komplizierter als das hier stark vereinfacht dargestellte Modell. Einen dieser gar nicht so seltenen Sonderfälle kann man derzeit (2015) erleben. Obwohl der Leitzins bereits auf ein Niveau von nahezu null (0,05 Prozent) gesenkt wurde, wollte die Wirtschaft nicht auf breiter Front anspringen und Kredite wurden nicht in erwartenden Umfang abgerufen. Zudem verharrt die Inflation unbeweglich an der Grenze zur Deflation. In dieser Lage griff die EZB zu einem weiteren, allerdings innerhalb der EU stark umstrittenem Mittel, in dem sie auf breiter Front Staatsanleihen kaufte, ebenfalls mit dem Ziel Liquidität in den Markt zu pumpen. Vereinfacht gesehen wurden durch diese Maßnahmen Renditen für Anleihen gesenkt, was diese als Anlagealternative unattraktiv macht. Dadurch sollten Finanzströme in andere Investitionsmöglichkeiten gelenkt werden. Auch deshalb haben zumindest einige Indizes, wie etwa der Dax in dieser Phase eine beachtliche positive Entwicklung hingelegt. Die Auswirkungen auf die europäische Wirtschaft selber blieben aber eher begrenzt. Daran zeigt sich, dass die Instrumente der EZB zwar einen gewissen Stimulus darstellen, die Wirtschaft aber selten so reagiert wie im Lehrbuch. Oder wie es die Wissenschaftler John Maynard Keynes bzw. Karl Schiller in der deutschen Übersetzung ausgedrückt haben: Man kann die Pferde zur Tränke führen – saufen müssen sie dagegen von allein.

Was folgt daraus für die Anleger

FolgenWas lassen sich nun aber aus Anlegersicht für Schlussfolgerungen aus der Politik der EZB schließen. Zunächst sei vorangestellt, dass in der Politik der EZB immer auch ein hoher Anteil an Psychologie steckt und die Instrumente wohl niemals direkt wirken. Dabei können allein bestimmte Aussagen von Vertretern der EZB massive Auswirkungen auf die Aktienmärkt haben, etwa wenn ein Ende einer Niedrigzinsphase angekündigt wird. Während sich aber langfristig ausgerichtete Anleger nur bedingt von der EZB Politik beeindrucken lassen, kann es sich auch lohnen, bestimmte Kauf- und Verkaufsentscheidungen daran zu orientieren. So wäre demnach der Anfang einer Zinserholungsphase ein eher ungünstiger Zeitpunkt für den Einstieg bzw. möglicherweise eine Gelegenheit, Gewinne mitzunehmen und abzuwarten. Derartige Entscheidungen sollten jedoch stets im Einklang mit einer ausgewogenen Informationsaktivität stehen, das heißt, der Anleger sollte durch Presse, Funk und Fernsehen möglichst Expertenmeinungen einholen um sich zu orientieren und um die konjunkturelle Lage einschätzen zu können. Darüber hinaus ergeben sich insbesondere für kurzfristige, spekulativ ausgerichtete Anleger immer wieder Chancen unmittelbar vor Zinsentscheidungen. Hier wetten die Anleger quasi auf den Ausgang der Entscheidung. Massive Kursausschläge in der Folge von überraschenden, also damit nicht eingepreisten Entscheidungen sind dabei keine Seltenheit. Liegt der Anleger mit seiner Entscheidung richtig, kann er kurzfristig sehr hohe Kursrenditen einstreichen. Ein wichtiger Faktor ist dabei z.B. die Schuldenquote von Unternehmen. Da für Schulden hohe Zinsaufwendungen notwendig sind, haben für diese Unternehmen entsprechende Zinsentscheidungen entsprechende Konsequenzen auch auf den Aktienkurs. Auch Aktien von Unternehmen aus der Finanz- und Versicherungsbranche reagieren mitunter heftig auf Zinsentscheidungen. Grundsätzlich lässt sich auch mit Indizes auf derartige Entwicklungen spekulieren.

Ein weiterer wichtiger Markt, auf dem sich Zinsentscheidungen unmittelbar aber auch langfristig auswirken, ist der Währungsmarkt, auch Forex genannt. Das Zinsniveau wirkt sich nämlich auch auf das Wechselverhältnis von Währungen aus. Dies lässt sich beispielhaft am Verhältnis vom Euro zum US-Dollar darstellen: Lange hat die amerikanische Zentralbank, die FED, eine im Vergleich mit dem Dollar und andern internationalen Währungen, ausgesprochene Niedrigzinspolitik verfolgt, um die heimische Wirtschaft zu stützen. In dieser Zeit hat der Dollar immer weiter an Außenwert verloren, ist also im Vergleich zum Euro stetig gesunken. Seit 2014 wurde von der FED eine Zinswende angekündigt, auch wenn Taten lange auf sich warten ließen. Trotzdem ist auch aufgrund dieser Ankündigung der Wert des US Dollars zum Euro deutlich und auch kontinuierlich gestiegen. Hinzu kamen die bereits erwähnten Maßnahmen der EZB, die umgekehrt den Euro schwächten. Wer diese Entwicklung richtig vorhergesagt hatte, konnte mit den entsprechenden Produkten stattliche Gewinnen erzielen. Für langfristig orientierte Anleger besteht darüber hinaus die Möglichkeit, sich bei der Auswahl des Investitionszieles an den Zinsentscheidungen der EZB bzw. der anderen Zentralbanken zu orientieren. So könnten in einer Phase, in denen Zinssteigerung erwartet werden, Investitionen in Anleihen des jeweiligen Landes reizvoll sein. Neben den höheren Renditen dieser Papiere winkt zudem ein möglicher Währungsgewinn für den Anleger.

Fazit – Die Politik der EZB ist wichtig für Anlageentscheidung – unter anderem

Insgesamt hat die EZB mit ihren Entscheidungen einen großen Einfluss auf die Wirtschaftsentwicklung in den Eurostaaten, sowie darüber hinaus auch auf die einzelnen Aktienmärkte. Mit den Büchern und Doktorarbeiten, welche sich mit den Zusammenhängen von Geldpolitik und Wirtschaftsentwicklung beschäftigen, lassen sich wohl ganze Regale füllen. Die Schlussfolgerungen die jeder dieser Autoren aus seinen Überlegungen zieht sind trotzdem alles andere als eindeutig. Konsens herrscht allenfalls in Bezug auf das hier skizzenartig dargestellte Lehrbuchwissen über die groben Zusammenhänge. Dass die Entwicklung in der Realität nicht selten einen völlig anderen Verlauf nimmt, ist eine Erkenntnis, die ebenfalls kaum jemand anzweifeln wird. Aus diesem Grund ist es nicht einfach, eindeutige Schlussfolgerungen für das Anlageverhalten zu ziehen. Wichtig ist es aber auf jeden Fall, die Zusammenhänge zu verstehen und diese in die eigenen Entscheidungen miteinzubeziehen.

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