Das Thema Chartformationen ist irgendwie ausgelutscht, oder? Flagge, Wimpel, Dreieck, Keil und wer weiß noch was für geometrische Formen. Dazu kommt noch der ewige Zwist zwischen der technischen und fundamentalen Analyse. Während letzteres eindrucksvolle Persönlichkeiten wie Warren Buffett oder Peter Lynch hervorgebracht hat, sind wirklich erfolgreiche Chartanalysten rar gesät. Dennoch lassen sich beide Konzepte wunderbar kombinieren. Denken wir beispielsweise an Michael Burry, der sich für das Timing markante Tiefpunkte heraussuchte, um antizyklisch zu investieren. Wer Michael Burry nicht kennt, dem lege ich den Film „The Big Short“ ans Herz. Ich möchte dir in diesem Artikel eine Möglichkeit zum mittel- bis langfristigen traden richtig geiler Unternehmen zeigen. Wie? Mit Hilfe der Tasse-Mit-Henkel-Formation. Keine Angst, ich labbere nicht viel über die Formation als solche, sondern zeige dir eine konkrete Strategie mit allen Bestandteilen: Identifikation, Einstieg, Entwicklung, Ausstieg, Stopp-Loss, Gewinnmitnahme und Positionsgröße. Viel Spaß beim Erlernen des Ansatzes.
Die Trading-Strategie in Kurzform:
- Formation: Tasse mit Henkel
- Einstieg: Ausbruch oberhalb des Widerstandes des Henkels (hohes Volumen)
- Stopp-Loss: 5- 8 Prozent unterhalb des Ausbruchskurses
- Ausstieg: Trendfollowing
- Positionsgröße: 1. 50% investieren 2. Position läuft zwei Prozent ins Plus, dann die restlichen 50% investieren.
Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein?
Der Ansatz ist für fundamental gefestigte Unternehmen mit hervorragenden Aussichten gedacht. Das können zum Beispiel Burggraben-Aktien, also Value-Unternehmen mit mindestens einen enorm großen Wettbewerbsvorteil sein. Bedeutet, auf Pennystock XYZ ist das Ganze zwar anwendbar, allerdings nicht verheißungsvoll. Zudem wird im Tages oder Wochenchart gehandelt. Wobei mir letzteres lieber ist.
Grafik: Volkswagen hatte zwar deutlich am Abgasskandal zu knabbern, dennoch handelt es sich dabei um ein solides Unternehmen. Die hier gezeigte Formation ist zwar nicht idealtypisch, aber schon sehr nahe dran. Chart: Tradingview.com
Bei der Tasse-Mit-Henkel-Formation handelt es sich um eine Trendfortsetzungsformation. Im Idealfall ist der Kurs vor Auftreten des Musters binnen einen Jahres um 100 Prozent gestiegen. Die Atempause selbst sollte maximal um 30 Prozent der letzten 12 Monate korrigieren. Verliert der Kurs mehr als fünfzig Prozent, dann ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass er nicht mehr auf dem Niveau der alten Kursstände zurückkommt. Die Korrektur kann sogar den vorherrschenden Aufwärtstrend brechen. Die Formation bildet sich über einen Zeitraum von einigen Wochen bis hin zu sechs Monaten. Hieraus ergeben sich für dich einige Vorteile. Zum einen werden in dieser Zeit alle unsicheren Anleger aus den Wert herausgedrängt und zum anderen hast du genügend Zeit, um dich auf alles vorzubereiten.
Wenn du eine Tasse erspäht hast, schalte unbedingt das Volumen hinzu. Innerhalb der Tasse sollte das Volumen im Durchschnitt der letzten zwölf Monate liegen. Zur Verifizierung genügt eine einfache Sichtprüfung. Sollte sich das Volumen erhöhen, also die Balken werden länger, dann kann es sein, dass ein Investor gerade eine Position abstößt. Solltest du das erkennen, dann ab zum nächsten Chart.
Grafik: Amazon ist ein geiles Unternehmen. Dank Amazon wissen wir wieder was Kundenservice bedeutet. Bei der Bildung des Henkels ging das Volumen leicht zurück. Chart: Tradingview.com
Die Tasse müsstest du nun identifizieren können. Im nächsten Schritt widmen wir uns dem Henkel. Auch hier gibt es einige Dinge zu beachten. Der Henkel besteht aus drei bis sieben Kerzen. Dabei liegen die Eröffnungs- und Schlusskurse sehr nahe beieinander. Große Kerzen suchst du im Henkel folglich vergeblich. Achte bitte zusätzlich auf die Preisspanne der Kerzen im Henkel. Zwischen dem Hoch- und Tiefpunkt darf maximal ein Unterschied von fünf Prozent liegen. Als letztes das Volumen. Im Henkel geht das Volumen nochmal runter. Das deutet auf eine geringe Anzahl an verkaufswilligen Händlern hin. Alle sind in Wartestellung und spekulieren auf einen Kursausbruch. Ist das Volumen im Henkel zu hoch, dann sind die unruhigen Händler noch nicht ausgestiegen. Sobald der Ausbruch kommt, drängen sie auf Gewinnmitnahmen und setzen den Kurs unter Druck.
Zum Schluss noch ein Hinweis über die Anordnung des Henkels. Dieser sollte sich logischerweise oben bei der Tasse befinden und nicht zu weit unten angebracht sein.
Welche Positionsgröße wird empfohlen?
Hier kann ich dir natürlich nur einen Vorschlag machen, denn die Positionsgröße ist sehr individuell. Ich mache es so, dass ich beim Kaufsignal erst mit fünfzig Prozent meiner geplanten Größe einsteige. Sobald der Kurs zwei bis fünf Prozent im Plus ist, kaufe ich die andere Hälfte.
Wann erfolgt der Einstieg?
Wenn du dich bereits mit dem traden von Chartformationen auskennst, dann weißt du, dass ein Ausbruch von einem Anstieg des Kursvolumens begleitet werden muss. Als Faustregel gilt: Das Volumen sollte vierzig Prozent oberhalb des Durchschnitts der letzten 50 Tage liegen. Der Einstieg erfolgt dann, wenn das Hoch (Widerstand) des Henkels durchbrochen wurde. Wer berufstätig ist, kann oberhalb des Resistent-Levels auch eine Buy-Stop-Order platzieren.
Wo platziere ich meinen Stopp-Loss?
Für die Setzung des Stopps ist maßgeblich dein Risikomoneymanagement verantwortlich. Was ich nicht empfehlen würde, wäre die Setzung knapp unterhalb des Tiefs vom Henkel. Wegen des Rauschen des Marktes ist die Wahrscheinlichkeit ausgestoppt zu werden sehr groß. Wie wäre dann also, wenn du den Stopp-Loss fünf bis acht Prozent unterhalb des Ausbruchskurses platzierst. In diesem Fall hat der Markt genug Platz zum Atmen.
Wann erfolgt der Ausstieg?
Eine Ausstiegsregel wird nicht definiert, da es sich um einen Trendfolgeansatz handelt. Um möglichst viel an der Entwicklung zu partizipieren kann beispielsweise der Stoppkurs von einem Swinging-Low zum nächsten nachgezogen werden oder die Position wird beim nächsten Trendbruch verkauft.
Fazit zum Handel einer Tasse-Henkel-Formation
Das hier vorgestellte Konzept verlässt sich nicht nur auf die Chartanalyse, sondern findet nur in Unternehmen mit einem Burggraben Anwendung. Die Tasse als Formation ist auch vergleichsweise einfach zu identifizieren. Der Trader hat genügend Zeit sich zu positionieren, sollte aber dabei immer das Volumen im Auge behalten. Wenn du die Möglichkeit hast, nach Unternehmen zu filtern, dann kannst du dir aussichtsreiche Kandidaten anzeigen lassen, indem du festlegst, dass der Kurs beispielsweise oberhalb des SMA100 und SMA200 liegen soll. Auch eine Entfernung zum 52-Wochen-Hoch ist denkbar. Kandidaten sind Aktien, die nur noch 30% zum Jahreshoch haben.
Probiere die Strategie gerne aus und versuche das Regelwerk zu verinnerlichen. Nach einigen Tagen weißt du dann worauf es ankommt. Sehr oft kommt die Formation übrigens nicht vor, etwas suchen musst du schon.
Ich wünsche dir viel Spaß dabei und natürlich ganz viel Erfolg.
Dein Martin Brosy
Autor: Piet Felten, 10.04.2018